Es hat so viel geregnet, man hätte diese Fahrrad-Tour auch mit einem Kreuzfahrtschiff machen können; aber da es eine Vorbereitung auf unsere geplante Neuseelandreise sein sollte und wohl auch dort die Regenhäufigkeit hoch ist, vielleicht gerade der richtige (Härte)Test!
Dieses mal nun also Urlaub per Rad. Zwar grundsätzlich kein Novum für uns - so sind wir beispielsweise vergangenes Jahr um den Bodensee geradelt – aber so in Reinkultur, ganz ohne Gruppe, die wir anleiten, über einen Zeitraum von fast drei Wochen und ganz ohne einen „Bergergänzungsteil“ dann doch schon ziemlich neu oder zumindest relativ lange her!
Wieder ist unser Handeln allerdings nicht so ganz zufällig und grundlos, sondern natürlich haben wir unsere geplante „Neuseeland-Fahrrad-Trekking-Tour 2007“ im Hinterkopf und wollen mal wieder Ausrüstung checken und ergänzende Erfahrungen sammeln. Ob allerdings Bayern und Neuseeland vergleichbar sind, wird sich noch rausstellen.
Im Grunde genommen ist alles erforderliche Equipment vorhanden, sollte man meinen, dennoch packt mich jedes Mal vor Antritt einer neuen Unternehmung eine kaum zu erklärende Recherche- und Einkaufswut – quasi um mich technisch „upzudaten“ und voraussichtlich vielen Werbestrategen auf den Leim zu gehen (aber nur so kann schließlich unsere soziale Marktwirtschaft funktionieren).
Neuer Lowrider (Tubus Tara), Taschen (Ortlieb Front Roller) und neue Lenkergriffe (Ergon Performance) für Brigitte, für mich einen Sattel (Selle Italia Flite), Fahrradhose (Löffler), einen Tacho (Sigma BC), Lenkerband (Geleinlagen), sowie diverse Bowdenzüge. (Schaltung, Bremse). Für beide einen neuen Helm (Giro) und schließlich noch etwas Luxus, nämlich von Sow Peak einen Kaffeebereiter, exclusiv für mich!!!
Wieder hatten wir vor - sofern es in der bayerischen Provinz ausreichend Internetcafes gibt - sporadisch über den Tourverlauf zu berichten; mußten aber schnell erkennen, dass es Gott sei Dank, in Bayern zwar jedemenge Biergärten; leider dafür aber kaum Internet-Cafes gibt.
Die Tour
29.Juli 2006 (Sa) Start - Der Berliner Hauptbahnhof ist Dank ausreichender Rolltreppen auch mit voll beladenen Fahrrädern über drei Etagen zu bewältigen. Mit dem IC von Berlin nach München (ohne Bistro u. Getränke, vielen Dank Herr Mehdorn), weiter mit RE nach Rosenheim. Jetzt mit dem Radl nach Harras am Chiemsee.
Etwa 28 km, Sonne
30.Juli 2006 (So) Ohne Gepäck bei bestem Wetter um den Chiemsee geradelt.
Etwa 55 km, Sonne
31.Juli 2006 (Mo) Mit dem Radl nach Gars gefahren und zur Fraueninsel übergesetzt – Radl in Parkhaus "gebührenpflichtig" eingestellt. Insel im Eiltempo besichtigt – zurück nach Gars. Jetzt dem Benedikten-Radweg folgend, weiter Richtung Wasserburg. Auf einem Stückchen Schotterweg hat Brigitte dann das Bremsen mit allen vorstehenden Körperteilen geübt (Anmerkung der Red.: Landung war perfekt, allerdings gab`s schlechte Stilnoten). Durch Wasserburg auf Fernverkehrsstrasse und weiter zum Campingplatz Soyensee. (Etwas schräges Publikum, aber sehr nett).
Etwa 61 km, Sonne
01.August 2006 (Di) Hauptsächlich dem Inn folgend auf Nebenstraßen, aber auch auf Rad-Schotterwegen bis Marktl. Geburtsort des Papstes. Klasse Campingplatz auf einem Bauernhof (Campingplatz Marktl. - Supernette Betreiber. Wir sind natürlich dabei auch durch Altötting gekommen. Der Wallfahrtsort Bayerns schlechthin. Frage: Wann und warum begibt man sich auf eine Wallfahrt?).
Etwa 68 km. Es beginnt zu regnen ...!
02. August 2006 (Mi) Über historische Wald-Schotter-Strasse nach Burghausen. Dort durch die längsten Burg Europas (1.000 m) geradelt, abgestiegen und Aussicht genossen. Es folgte eine echt steile Abfahrt zum Inn. Weiter über Tittmoning (Mittagessen eingenommen, beste Noten für die Gastronomie) bis Wagging am See. Dort selbst durften wir erstmals einen fünf Sterne Campingplatz testen. Hatte den Vorteil, dass auch wir einen eigenen Stellplatz (80m²; man konnte die Nachbarn nur noch verstehen, wenn man sich ganz konzentriert und ruhig verhielt) bekamen. Haben sofort alles Erforderlich (Einmal-Grill) zum zelebrieren des Abendessens besorgt. Abends noch mal Schwimmen gewesen.
Etwa 65 km, leichter Regen ...!
03.August 2006 (Do) In der Nacht hat es angefangen stärker zu regnen. Im Gegensatz zu den beiden voran gegangenen Tagen hat es dafür den ganzen Tag nicht mehr aufgehört. Von Wagging am See bis Königssee Dauer-Huschen und saukalt. Sind bis Teisendorf auf Nebenstrassen gefahren um dann dem Bodensee-Königssee Radweg zu folgen. War `ne echte Tiefkühl-Tour. Von der Landschaft nicht viel gesehen. - Das schwer beladene Rad mit vor Wasser triefenden Cantileverbremsen kontrolliert zum Stehen zu kriegen, entpuppte sich als Aufgabe mit Zukunft. Das Zelt haben wir bei Starkregen aufgebaut und den Rest des Abends mit Schadensbegrenzung zugebracht. D.h. alles was unterwegs nass geworden war (praktisch also fast alles, was wir mit hatten) wurde gewaschen und getrocknet (Waschmaschine und Wäschetrockner); Schuhe und Anoraks im Trockenraum abgestellt, Schirm ausgeliehen!!! - Innenzelt war leider bereits beim Aufbau klatschnass. Lag während der Fahrt unter dem nassen Überzelt. Wir hatten (haben) den Verdacht, dass die Bodenplatte unseres neuen VE25 nicht dicht ist (!).
Etwa 65 km, jetzt Starkregen ... !!
04.August 2006 (Fr) Pausentag – Zelt umgesetzt. Nachmittags mit Bus nach Berchtesgaden gefahren. Weißwurst essen (Arno), Bummeln und Kaffeetrinken.
Nicht Rad gefahren, Starkregen
05.August 2006 (Sa) Abstecher zu einer DAV-Tagung (Arno) nach Frankfurt am Main (Flug Salzburg - Frankfurt und zurück). Brigitte besichtig den Königssee (mit Spaziergang zum Malerwinkel). Dann nach Berchtesgaden (u. a. Heimatmuseum, Gerhard Marcks).
Nicht Rad gefahren, Starkregen
06.August 2006 (So) Heute war er fällig! Wer behauptet denn, dass der Königssee überlaufen ist. Wunderschön und ganz verwunschen lag er da (in Nebel und Dauerregen). Beim Königssee-Fischer eingekehrt (mit uns 5 Gäste). Lediglich auf längere Spaziergänge haben wir verzichtet.
Nicht Rad gefahren, Starkregen
07.August 2006 (Mo) Nachmittags gab es längere Trockenperioden, welche wir gleich zu einem ausgiebigen Spaziergang nach Schönau nutzten. Wir beschlossen, wir werden bei gutem Wetter (evtl. 2007) wieder herkommen, um u.a. die umliegenden Berge zu erobern.
Nicht Rad gefahren, Starkregen
08.August.2006 (Di) Endlich ein Sonnenstrahl! - Sofort haben wir das noch immer nasse Zelt abgebaut, gepackt und uns aufs Rad geschwungen. Jetzt folgten wir weitestgehend dem Bodensee-Königssee Radweg. Allerdings verkehrt herum. Tagesziel war Reit im Winkel entlang der Deutschen Alpenstraße (schnauf)..
Etwa 67 km, gelegentlich Regen.
09.August 2006 (Mi) Heute haben wir kurzfristig das schöne Bayernland verlassen und einen Abstecher nach Österreich unternommen, um in Erinnerungen schwelgend (Arno), Kössen einen Besuch abzustatten. Über Kössen Walchsee weiter nach Niederndorf. Dann über den Innradweg, bis wir bei Neubeuren den Bodensee – Königssee Radweg mal wieder erreichten. Auf diesem bis nach Bad Feilnbach gestrampelt. Mit unseren Gepäck und dem jetzt wieder oberbayrischen Landschaftsprofil wären rund 60 km die ideale Etappenlänge. Läßt sich aber nur realisieren, wenn sich dann auch ein Campingplatz finden läßt.
Etwa 62 km, gelegentlich Regen.
10. August 2006 (Do) Von Bad Feilnbach entlang dem Schliersee an den Tegernsee. Brigitte (Navigator) leistet sich heute zwei Verhauer. Einen in Neuhaus am Schliersee (Anmerkung der Red.: Auch mehrfache Stadtrundfahrten können schön sein). Den zweiten am Ende des Schliersees, was dafür aber mit wunderschöner Landschaft belohnt wird; wir aber zwischendurch leider keinen Schimmer hatten, wo wir eigentlich sind (Miesbach – Giglberg – Gmund). Dann endlich nur noch mal 10 km bis zum Campingplatz. Leider nicht am See. Das nächste Dorf(gasthaus) ist auch weiter weg, also gibt es heute Zeltküche.
Etwa 63 km, zeitweise Regen.
11. August 2006 (Fr) Über Bad Tölz, Benediktbeuren an den Kochelsee. Uns erwartet eine große Zeltwiese (fast leer, wer zeltet schon bei diesem Wetter?). Ganz in der Nähe soll es sich übrigens prima Klettern lassen.
Etwa 62 km, gelegentlich Regen.
12. August 2006 (Sa) Wir beschließen, mal wieder zwei Pausentage zu machen. Den ersten verbringen wir mit Wäschewaschen und Schönheitspflege. Nachmittags sind wir dann mit dem Linienbus zum Walchensee gefahren (der Bus in diese Richtung kam als erster) und dann zurück nach Kochel.
Nicht Rad gefahren, Regen
13.August 2006 (So) Heute gönnen wir uns ein Bayernticket und reisen nach Murnau. Viel Kultur, erst einen bayrischen Braugasthof, dann haben wir das das Heimatmuseum (Blauer Reiter; Ödön von Horváth) und schließlich eine leckere Eisdiele besichtigt. Wegen anhaltendem Dauerregen (!) auf den Ausflug zum Staffelsee verzichtet. Wann hatten wir eigentlich den letzten Schönwettertag?
Nicht Rad gefahren, Starkregen
14. August 2006 (Mo) Wir fahren weiter Richtung Bodensee. Wunderschön durch das Murnauer Moos. Dann leisten wir uns bei strömenden Regen den nächsten Verhauer (Anmerkung der Red.: Warum "wir"?). Wir fahren eine Teerstraße weiter, weil, sop denken wir jedenfalls, nur so kann in Bayern ein ordentlicher Radweg aussehen (denkste!); werden belohnt mit wunderschöner Voralpenlandschaft, idyllischen Gehöften auf kleinen Hügeln....! - Leider entdecken wir nach 10 km, dass wir statt nach Westen nach Norden gefahren sind. Unsere 1:150 000er Autokarte verzeichnete, welch ein Zufall, in der Nähe eine weiteren Radweg (Königl.-Bay.- Radtour), also beschlossen wir, uns auf`s zu Glück verlassen und ungefähr in Richtung dieses Radweges zu fahren. Tatsächlich, wir finden den Radweg, kommen an der Wieskirche vorbei und zurück zu „unserem“ Radweg. Nach 82 km fallen wir am Bannwaldsee (Schwangau) erschöpft von unsere Rädern, bauen unser Zelt im Matsch auf. Am nächsten Tag lernen wir, dass wir uns in einem Moos befinden. Also alles klar?
Arno äußert (Anmerkung der Red.: berechtigte) weitere Zweifel, ob eine Karte im Maßstab 1: 150 000 die richtige Karte für einen Fahrradweg ist. Vor allem, wenn man keine Streckenbeschreibung hat, sondern sich auf eine gestrichelte Linie in der Straßenkarte verlässt.
Etwa 82 km, zeitweise Regen.
15. August 2006 (Di) Ohne Probleme weiter nach Bühl am großen Alpsee. Da wir nicht auf dem Campingplatz essen wollten, machten wir uns auf die Suche nach einem Gasthof. Leider wussten wir noch nicht, dass die Auswahl sehr eingeschränkt war – zumindest die fußläufige (haben dann einen einzigen Gasthof gefunden, aber noch nie so lange auf`s Essen gewartet, wie hier!). Dafür war ausnahmsweise der Wohnwagenkutscher auf dem Campingplatz, neben uns mal richtig nett!
Etwa 68 km, zeitweise Regen.
16. August 2006 (Mi) Noch eine Etappe und wir sind in Lindau am Bodensee. Ganz entspannt gefahren (gerollt), da Lindau immerhin 300 Höhenmeter tiefer liegt als unser gehabter Übernachtungsort. Abends einen Radler mit Blick auf den Bodensee und froh, das Ziel erreicht zu haben. Auf mehr Bodensee-Kontakt haben wir wegen dem Wetter verzichtet. Das Lokal, ein paar Meter vor dem Campingplatz, hat uns noch mal so richtig bayerische Kochkunst zelebriert (höchst Rechnung des Urlaubs, aber wirklich gut).
Etwa 65 km, zeitweise Regen.
17.August 2006 (Do) In Lindau den letzten "Urlaubs-Latte" getrunken und Pflaumenkuchen genossen. Dann gemütlich im RE (Bayernticket) nach München. Dort die Räder in die Innenstadt geschoben – ganz schön mühselig. - Warum ist eigentlich heute der erste Sonnetag seit zwei Wochen? Und wieso muss da Thermometer dann gleich auf gefühlte 30° klettern (hatten wir letztes mal beim Start in den Urlaub). Egal, abends (19Uhr) ohne Probleme in den Nachtzug eingestiegen. Er stand bereits eine halbe Stunde früher zur Abfahrt bereit. Diesmal hatte der Zug sogar ein Bistro, so dass wir das letzte Urlaubsradler geniessen konnten .....!
Etwa 09 km, meist Sonne.
18. August 2006 (Fr) gegen 4:50 Uhr wieder gut in Berlin (Hauptbahnhof) gelandet.
Zusammenfassung
Angenehm überrascht hat uns die Schönheit der Landschaft und das konditionsfördernde Höhenprofil. Auch das Radwegenetz ist (meist) vorbildlich. Jede Menge Kultur am Wegesrand, die Geist und Seele erfreut. Eine Gasthausqualität gar, von der sich Berlin ruhig eine dicke Scheibe abschneiden könnte. Nicht zuletzt aber auch die vielen Badeseen, an denen dann oft auch ein Campingplatz lag, stimmen Gemüt und Psyche friedlich. Lediglich das mit dem Wetter - der Regen hatte teilweise Duschqualität - wäre noch zu verbessern. - So konnten wir noch mal ausgiebig unsere Ausrüstung und unsere Wettertauglichkeit testen. Unklar ist uns noch, ob auch Neuseeländische Zeltplätze Wäschetrockner als Standard bieten und ob die knusprigen Schweinshaxen mithalten können. Aber ganz gleich, Neuseeland, wir kommen ... !
Für die Statistik: Insgesamt sind wir etwa 820 km gefahren und haben etwa 53 Stunden auf dem Rad gesessen.